Legienstraße 40
Eine Rettung mit Hindernissen
„Ehrwürdig aber heruntergekommen“
– so lässt sich der Zustand der Jugendstil-Stadtvilla wohl am Besten beschreiben, bevor die Familie Petersen sie im Dezember 2010 erwarb.
Historie
Das Gebäude wurde 1898 als Hotel „Prinzenhof“ errichtet und später um ein Badehaus im Innenhof, das Prinzenbad erweitert. Dieser Innenhof wurde jedoch im zweiten Weltkrieg komplett zerstört und nicht wieder aufgebaut.
In den vierziger Jahren wurde der untere Rundbau hinzugefügt. Sodann war wohl auch einmal die Gothaer Vertretung im Hause. In den Nachkriegsjahren wurde wegen des Trendes der Einfachheit, der wertvolle Stuck innen und außen zerstört.
Das Gebäude bekam einfach gestaltete Fenster und Fassade.
In der darauf folgenden Zeit entwickelte sich ab den Siebzigern auf drei Etagen Gastronomie. Zum Ende betrieb über Jahre „Lulu“ das Gebäude. Unten die Culteinrichtung Schaubude, dann das L`etage und das TamenT.
Darüber Büros und dann die wunderschöne Wohnung vom Inhaber über eine ganze Etage.
Mann kann sich gut vorstellen, was alles in dem Gebäude wohl so Tag und Nacht passiert ist…


Investitionsstau, ein nicht reparierter Brandschaden, schlechte Umsätze und Veränderungen in der Szene ließen das Anwesen wirtschaftlich herunterkommen und das konnte man leider auch bald außen und innen sehen.
Die Kieler Volksbank stellte Darlehen fällig, ganz Kiel konnte die Geschichte in der KN verfolgen.
Sodann kam die Insolvenz und am Gebäude hing schon ein konkretes Bauplakat der Kieler Volksbank mit einer Werbung für Eigentumswohnungen. Das Gebäude sollte abgerissen werden.
Ein Neubau, Tiefgaragen und die Bebauung des Hinterhofes wären sehr lukrativ gewesen, aus dem Grunde konnte es eigentlich keine Rettung für die Kultureinrichtung geben.
So sollte auch diese wichtige Institution dem Abrissbagger weichen. Der Abriss aller kultureller Einrichtungen in der Eggerstedtstraße beweist, wie schnell so etwas in Kiel gehen kann.
Die Legienstraße hat auf der Ostseite einen wunderbaren Fassadenbestand, der durch den Neubau gerade zu zerrissen worden wäre.
Dies hätte dem Charme des gesamten Ensembles geschadet und dafür gesorgt, dass eines der letzten, wenigen historischen Gebäude der Innenstadt für immer verloren gegangen wäre.
Rettung

Erst eine Petition mit 4.000 gesammelten Unterschriften konnte den Abriss schließlich verhindern.
Nachdem es in der darauf folgenden Zeit vielen potenziellen Investoren an Visionen und Ideen mangelte, erwarb die Familie Petersen im Jahr 2010, einen Tag vor Heiligabend, die Immobilie.
Da der ehemalige Prinzenhof bereits auf eine lange Tradition als Standort für Kultkneipen und Diskotheken zurückblicken konnte, entschied sich die „Gebäudeentwicklung Petersen“ bei der Auswahl von Pächtern dafür, die inzwischen unter Denkmalschutz stehende Immobilie als Anlaufpunkt für feierwillige Kieler zu erhalten und die obere Etage gleichzeitig als Geschäftsräume der Fachkanzlei Helge Petersen & Collegen auszubauen.
Diese hatte inzwischen jedoch eine so beachtliche Größe erreicht, dass eine adäquate Unterbringung unter den strengen Auflagen des Denkmalschutzes nicht möglich war und die Kanzlei stattdessen in die „Kassenhalle“ in Kiel Wellingdorf einzog.
Kultur
Heute beheimatet die Legienstraße 40 ein einzigartiges Bar- und Clubkonzept mit dem Namen „Villa- Klub & Kombüse“. Das Gebäude selbst war im Zeitpunkt der Übernahme buchstäblich ein „Abrissobjekt“.
Im Erdgeschoss des Gebäudes weilt das Bar-Restaurant “Bergmanns“. Hier kann der Feierabend
ausgiebig mit kulinarischen Köstlichkeiten und Cocktails ausklingen.
Dieser Eindruck wurde im Gesamtkonzept „Rettet die Legienstraße 40“ positiv interpretiert.
In der oberen Etage hat inzwischen die Werbeagentur „Ideenwerft“ Einzug gehalten und bereichert das Projekt mit kreativen Ideen rund um Internet, Print und Werbetechnik.
Architektur
So wurden innen große Teile der Mauern freigelegt, um dem Betrachter die „Not“ der Nachkriegszeit und die Art des Bauens um die Gründerzeit nahe zu bringen.
Eine Mischung aus gelben Steinen und Holzbalken, aber auch Stahl lässt erkennen, wie handwerklich damals so ein großes Gebäude erstellt, beziehungsweise nach dem Krieg gerettet worden ist.
Im Gebäude finden sich Stahlkonstruktionen, die in den Nachkriegsjahren in der Straße herumgelegen haben müssen, da sie nachweislich nicht zum Gebäude gehören, es aber nun stützen. Die Balkone zum Hinterhof beweisen ebenso wie die Balkone nach vorn, mit wie viel Detailfreude das Objekt um 2011/12 neu aufgebaut wurde.
Unter Protest der Denkmalpflege, die nur widerwillig einlenkte aber eine Brüstung dieser Art verboten hatte, wurde eine Neue Laterne mit Sandsteinpodest des Eckernförder Künstlers Nils Winderlich installiert.
Die untere Denkmalbehörde hat ohnehin die Sanierung aus Sicht Helge Petersens nur blockiert.
Es wurde geplant, einen hohen künstlerischen Anspruch für die Fassade umzusetzen.
Die Behörde jedoch verbat alles und hatte eigentlich nur das Thema Dachziegel oder Fenstergröße im Sinn.


Schnell wurde klar, dass eine Entwicklung, wie die Widerherstellung des Turmes mit der Denkmalbehörde nicht gangbar war, da diese nur die 50er Jahre als Maßstab für die Sanierung nahm – also die wohl trostloseste Zeit für das Gebäude.
Ebenso zeigte sich auch, dass es in diesem Fall wenig Sinn ergab, mit Architekten zusammen zu arbeiten.
Schlussendlich mussten in dem Gebäude alle Zwischendecken ab Oberkante des Club, und das Dach entfernt werden. Am Ende ist eine wunderbare Komposition aus „Berliner Nachwendeschick“ und moderner Gebäudeinfrastruktur entstanden.
Mit den Worten der Pächter: „Ein Wohnzimmer, dem man die mühevolle Arbeit nicht ansieht und dennoch Geschichten von modern interpretierter Handwerkskunst erzählt.“
Die Bemühungen der Familie Petersen um den alten „Prinzenhof“ haben dafür gesorgt, dass ein echtes kulturelles Juwel in einer bedeutungsvollen Lage erhalten bleibt.
Dabei war es ein persönliches Anliegen, dass der Stadtteil rund um die renommierte Muthesius Kunsthochschule weiterhin ein Ort für Inspiration und Zeitvertreib bleibt und sein einzigartiger Charakter nicht der Gentrifizierung zum Opfer fällt.